Drei Säulen reichen nicht mehr
Von Sandra Willmeroth
Niemand stellt sich sein Leben im Alter als Pflegefall vor. Aber nach einem Schlaganfall oder aufgrund fortschreitender Demenz bleibt für viele Menschen nur noch der Weg ins Pflegeheim. Und der geht ins Geld: Auf durchschnittlich 10 200 Franken belaufen sich die Kosten für einen Heimplatz. Dieser monatliche Betrag teilt sich auf in die Pensionskosten (ca. 4100 Franken), die Betreuungskosten (ca. 1500 Franken), die Pflegekosten (ca. 4400 Franken) und übrige Kosten (ca. 160 Franken). Die Pensions- und Betreuungskosten müssen pflegebedürftige Personen aus eigener Tasche berappen. Hingegen werden die Pflegekosten zu einem Teil von der Krankenversicherung übernommen (max. 115.20 Franken pro Tag), zu einem weiteren Teil von den pflegebedürftigen Personen selbst (max. 23 Franken pro Tag). Den Rest tragen die Gemeinde und der Kanton.
Die Kosten für die Pension und die Betreuung können, gemäss Zahlen des Krankenversicherungsverbands Curaviva, heute nur rund 40 Prozent der Pflegebedürftigen vollständig selbst finanzieren. Die anderen 60 Prozent sind auf Ergänzungsleistungen von Gemeinden und Kantonen angewiesen. Diese haben sich in den Jahren von 2000 bis 2024 bereits auf 5,9 Milliarden Franken mehr als verdoppelt, Tendenz steigend. Denn mehr und mehr kommen nun die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ins hohe Alter und je grösser die Grundgesamtheit wird, umso grösser die Anzahl derer, die zum Pflegefall werden. Derzeit leben über 155.000 Menschen in Pflegeheimen. Laut Curaviva könnte diese Zahl bis 2030 auf über 180.000 steigen.
Damit dürfte auch die Zahl der Personen, die künftig auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein werden, steigen. Doch bevor Ergänzungsleistungen bezogen werden können, wird das persönliche Vermögen der Betroffenen aufgezehrt, inklusive des Eigenheims – was nicht jeden Erbberechtigten freuen dürfte, aber kaum zu umgehen ist. Denn auch eine frühzeitig vollzogene Schenkung würde bei einem Antrag auf Ergänzungsleistungen angerechnet, auch wenn die Schenkung schon Jahre vor Eintritt des Pflegezustands stattgefunden hat. Und sollten die Erben eines Beziehers von Ergänzungsleistungen einen Erbteil von mehr als 40.000 Franken erhalten, müssen sie unter Umständen die Ergänzungsleistungen zurückzahlen. Darüber hinaus können die Behörden generell gezahlte Ergänzungsleistungen von «Verwandten, die in überdurchschnittlich guten finanziellen Verhältnissen leben» zurückfordern. Betroffen sind Eltern, Grosseltern, Kinder, Enkelinnen und Enkel.
Angesichts dieser absehbaren Entwicklungen kam vielerorts bereits der Ruf nach einer im Umlageverfahren finanzierten obligatorischen Pflegeversicherung auf, wie es sie in Deutschland und Luxemburg gibt. Vertreter des Think-Tanks Avenir Suisse hingegen plädieren auf eine Erweiterung des Schweizerischen Vorsorgemodells von drei auf fünf Säulen. Die vierte Säule soll dann die gesundheitliche Akutversorgung umfassen und die fünfte Säule würde der Sicherung der Langzeitpflege dienen. In deren Rahmen würden die Versicherten ein privates Pflegekapital auf einem Sperrkonto ansparen, das im Fall der Nichtbeanspruchung an die Nachkommen vererbt werden kann. Von anderer Seite wurde ein Pflegezuschlag auf die Krankenversicherung vorgeschlagen, der für die Finanzierung der Pflege herangezogen werden sollte. Doch bislang ist jeder Vorstoss hin zu einer Pflegeversicherung versandet. Dabei wäre es, angesichts der demografischen Entwicklung, jetzt an der Zeit, die Weichen zu stellen.