Frauen brauchen mehr Selbstbewusstsein in Finanzfragen

Frauen investieren seltener in Aktien, ETFs oder andere Anlageformen als Männer. Während sie die Haushaltskasse im Blick behalten, bleibt die langfristige Vorsorge oft auf der Strecke.

Von Helga Baechler

Frauen fehlt häufig das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Finanzentscheidungen zu treffen. Die Folge sind geringere Renditen und weniger Vermögen im Alter, und das bei einer höheren Lebenserwartung.

Diese Zurückhaltung hat historische Wurzeln. Noch in den 1970ern durften Frauen in der Schweiz ohne Einwilligung des Ehemanns weder einen Arbeitsvertrag unterschreiben noch ein eigenes Konto eröffnen.

Rollenbilder prägen sich früh ein. Buben werden ermutigt, Risiken einzugehen, Geld in den Mittelpunkt zu stellen und sich durchzusetzen. Mädchen hingegen werden darauf trainiert, Sicherheit zu priorisieren, sich anzupassen und Schönheit als Ersatzwährung zu betrachten. Der eigene Körper scheint kontrollierbarer und berechenbarer als volatile Börsenkurse.

Die US-Philosophin Susan Bordo formulierte sinngemäss: „Während Männer lernen, Vermögen zu vermehren, lernen Frauen, ihre Körper zu minimieren.“ Permanente Selbstoptimierung kostet Zeit, Energie und Geld. Das sind Ressourcen, die für Finanzbildung und Investments fehlen.

Zudem fürchten viele Frauen, beim Investieren Fehler zu machen und Geld zu verlieren. Doch die Zahlen sind eindeutig: Wer breit gestreut und langfristig investiert, zum Beispiel in einen Welt-ETF wie den MSCI ACWI, erzielte in den letzten 30 Jahren trotz Krisen durchschnittlich 7 bis 8 Prozent Rendite pro Jahr. Wichtig ist, langfristige Anlagen klar von kurzfristiger Spekulation zu trennen und genau zu verstehen, womit man es zu tun hat.

Nicht selten geben Frauen die Verantwortung für Geldentscheidungen an den Partner ab. Kurzfristig mag das bequem sein, langfristig kann es in finanzielle Abhängigkeit führen. Frauen leben im Schnitt fünf Jahre länger als Männer, verfügen jedoch über deutlich kleinere Renten. Das ist bedingt durch Teilzeitarbeit, den Gender Pay Gap und Karriereunterbrüchen.

Die Portfolios von Frauen performen im Schnitt besser als die von Männern, auch weil sie seltener hektisch umschichten. Das Problem liegt nicht im Können, sondern im Zugang zur Finanzwelt und im fehlenden Glauben, dass Vermögensaufbau auch Frauensache ist.

Frauen brauchen weibliche Vorbilder in Finanzfragen und eine Sprache, die nicht abschreckt, sondern nah am Leben ist. Noch fehlt die Sichtbarkeit von Frauen, die sich selbstbewusst mit langfristigem Vermögensaufbau beschäftigen, ob als Unternehmerinnen, Anlegerinnen oder Privatpersonen, die Verantwortung für ihre finanzielle Zukunft übernehmen. Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, dass Frauen investieren, über Renditen sprechen und sich zu Finanzthemen austauschen, so normal wie Gespräche über Kinder oder Gesundheit.